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VisiCorp Visi On

VisiCorp Visi On

Visi On ist eine Anfang der 80er Jahre von der Firma VisiCorp entwickelte Graphische Oberflaeche fuer IBM kompatible PCs. VisiOn setzt in seiner urspruenglichen Version auf MS-DOS 2.0 auf, ist prinzipiell aufgrund seiner Architektur jedoch auch auf andere Hostsysteme zu portieren.

Zur Zeit seiner Erscheinung war VisiOn eine der ersten graphischen Benutzeroberflaechen ueberhaupt. Zeitgleich gab es ausserdem Apple Lisa und Xerox Star, die allerdings proprietaere Systeme waren und nicht auf IBM kompatiblen PCs liefen.

VisiOn wurde mit mehreren Applikationen ausgeliefert: VisiOn Word, eine Textverarbeitung; VisiOn Graph, ein Programm um Graphen fuer Businessgrafiken zu erstellen; VisiOn Calc, eine Tabellenkalkulation (nicht zu verwechseln mit VisiCalc).

Ein kurzer Ueberblick ueber die GUI von VisiOn:

VisiOn ist ein Mausbasiertes System das als Grundkonzept die 'Desktop' Metapher benutzt. Es lassen sich mehrere Fenster gleichzeitig darstellen in denen unterschiedliche Programme ausgefuehrt werden koennen. Fenster koennen sich ueberlappen, in der Groesse veraendert und minimiert werden. Die Idee dabei war, dem Benutzer etwas zu bieten, das er schon kennt, wie die Dokumente auf seinem Schreibtisch. Am unteren Rand des Bildschirms befindet sich eien Menueliste mit mehreren Befehlen. Mit diesen koennen Fensteroperationen durchgefuehrt werden (OPEN, CLOSE, FULL, FRAME, wobei 'frame' dem normalen Fenstermodus entspricht), Daten zwischen den Programmen ausgetauscht werden (TRANSFER), Optionen aufgerufen werden (OPTION), eine Operation angehalten werden (STOP) oder ein Hilfefenster geoffnet werden (HELP).

Die Hilfe ist kontextabhaengig und vollstaendig verlinkt. Um sie zu benutzen klickt man zuerst auf den 'HELP' Button und dann auf das Objekt zu dem man Hilfe braucht. Durch die Verlinkung aller 'Frames' genannten Hilfeseiten bietet sich dem Nutzer ausser der Loesung eines konkret anstehenden Problems auch die Moeglichkeit einfach durch das Hilfesystem zu stoebern und so mehr ueber sein System zu erfahren. Ein vollstaendig verlinktes Hilfesystem war zB in Microsoft Windows erst zu einem viel spaeteren Zeitpunkt enthalten.

Der Dateibrowser von VisiOn ist nicht mehr mit heitigen Dateibrowsern zu vergleichen. VisiOn benutzt keine Icons, sondern hat eine Listenansicht, die am ehesten mit einer klickbaren Kommandozeile zu vergleichen ist. Sehr interessant fuer die damalige Zeit ist allerdings das Konzept wie Dateien behandelt wurden. Zum einen hatte VisiOn, als DOS selbst noch das 8.3 Dateinamenmodell hatte, schon die Moeglichkeit lange, deskriptivere Dateinamen zu verwenden. Zum anderen war es moeglich, dass einzelne Objekte, wie zum Beispiel Tabellenkalkulationen effektiv aus mehreren Dateien bestehen koennen (eine Datei fuer die Formeln, eine Datei fuer die Daten etc.), diese aber fuer den Benutzer als ein einziges Objekt manipulierbar sind. Dies ist in heutigen Systemen am ehesten mit den .app Applikationsbundles in Mac OSX zu vergleichen, Fuer den Benutzer als ein Objekt sichtbar und manipulierbar, aber effektiv ein Ordner mit mehreren Dateien.

Innerhalb der einzelnen Programme wurde das sogenannte 'Places' Modell benutzt. Places sind Gruppen von Funktionen. Ein Place waere zum Beispiel das editieren. Hier gibt es Funktionen wie Insert und Delete. Places sollten grundsaetzlich mit den groben Schritten korrespondieren die noetig sind um ein Ziel zu erreichen (zB editieren und Layout in einer Textverarbeitung). Diese Schritte sollten so aufgeteilt sein, dass das Hin- und Herschalten zwischen den einzelnen Places minimiert wird. Sie sollten ausserdem so gestaltet sein, dass der Benutzer intuitiv weiss, was er in jedem speziellen Place bewerkstelligen kann.

VisiCorp hat grosses Augenmerk auf die Konsistenz von Applikationen gerichtet. Ziel war es, dass ein Nutzer der ein Programm beherrscht, ein anderes in sehr kurzer Zeit auch benutzen zu koennen. Ein weiteres Beispiel fuer diese Konsistenz ist die Benutzung der Maus. Auf einer Zweitastenmaus wurde der linke Button fuer Selektion benutzt und der rechte Ausschliesslich zum Scrollen innerhalb von Fenstern. Dazu wurde mit dem rechten Button in das Fenster geklickt und und die Maus in die Scrollrichtung bewegt. Je weiter die Mausbewegung, desto schneller wurde gescrollt.

Die Architektur von VisiOn ist aus heutigem Blickwinkel auch sehr interessant. Es handelt sich hierbei um eine Virtuelle Maschine, die Java nicht unaehnlich ist. Das VisiOn System besteht aus mehreren Levels: Das Grundlevel wird Visihost genannt. Dies ist der Maschinenabhaengige Teil von VisiOn, zu zwei Dritteln in C und einem Drittel in Assembly programmiert. Das Naechste Level ist VOS, das Visi On Operating System. Dies ist der einzige Prozess der Visihost calls macht und ausserdem der einzige Prozess der Maus und Keyboardsignale empfaengt. Im VOS werden ausserdem die sogenannten VisiOps implementiert. VisiOps sind basale Operationen wie das Lesen und Schreiben von Dateien. Zusaetzlich werden hier die BITs implementiert. BIT ist die Abkuerzung fuer Basic Interaction Techniques, im Prinzip Input/Output Stammfunktionen durch die ein Konsistentes Verhalten von Applikationen gewaehrleisten koennen. Ueber BITs werden Dinge wie Zeilenbearbeitung, Mausselektionen und Aehnliches realisisert. Programme wiederum machen dann nur noch High Level Calls; Progammierer muessen nicht mehr jede Funktion selbst implementieren.

Durch die Technologie der virtuellen Maschine war es moeglich, VisiOn, das ja dann schlussendlich ein System fuer IBM kompatible PCs wurde, auf einem Apple III zu entwickeln (zumindest in der Prototyp-Phase).

VisiOn hatte leider keinen grossen Erfolg auf dem damals noch kleinen Markt der graphischen Benutzeroberflaechen. Schuld daran sind einerseits die fuer die damalige Zeit immens hohen Systemanforderungen (512k RAM, 5MB Festplatte, CGA Grafik), zum anderen der Mangel an Anwendungen. Im Grunde waren nur die von VisiCorp selbst entwickelten Anwendungen zu erhalten die vorher schon genannt wurden.

Die Legende erzaehlt ausserdem, dass Bill Gates sich urspruenglich von VisiOn zu Windows inspirieren liess, und mit Windows XP wurde dann noch ein Merkmal von VisiOn von Microsoft uebernommen. VisiOn hatte einen Kopierschutz der die Seriennummer der Maus abfragt... wo auch immer man seine Maus hin mitnimmt, kann man seine Applikationen laufen lassen. Windows XP generiert in aehnlicher Weise eine Seriennummer aus der Hardware des PCs um so eine Benutzung auf anderen Maschinen zu verhindern.